Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Freitag, 27. Februar 2015

Krebs

Das bekommen doch immer nur die Anderen und vor allem alte Leute! Ganz schön blauäugig.

Ich habe Brustkrebs. Und dieses kleine Ungeheuer hat auch noch Freunde mitgebracht, die es sich u.a. in meinem Skelett, vor allem in der Wirbelsäule, gemütlich gemacht haben. Was für eine Scheißdiagnose! Und was für unglaubliche Schmerzen!

Ja, ich bin wütend. Auf mich, auf die Welt, auf den Krebs. Ich frage nicht nach dem Warum. Der Krebs macht keine Unterschiede zwischen arm und reich, alt und jung, Mann und Frau (ok, der Brustkrebs schon, der befällt Frauen einfach öfter, dafür haben wir keine Prostata).

Ich bin sauer, weil es gerade alles gut lief. Toller Job, mit den Kindern keine ernsthaften Probleme, Pläne mit meinem Besten für dieses Jahr, Forentreffen, Mittelaltermärkte.... Und nun liege ich im Krankenhaus, habe schon eine OP hinter mir und warte auf eine wirksame Schmerztherapie und die Ansage, wie weiter gegen den Krebs gekämpft wird.

Heilung gibt es in meinem Fall nicht, oder so selten, dass es fast ein Wunder ist. Auf Heilung hoffe ich also gar nicht erst. Aber ich will verdammt noch mal leben!  Ich will leben, arbeiten und noch etwas mehr sehen als Dithmarschen. Ich will sehen, wie meine Töchter erwachsen werden, will erleben, dass sie sich verlieben, vielleicht sogar Oma werden. Ich bin mit 35 Jahren schlicht viel zu jung zum Sterben.

Fortbewegen kann ich mich kaum und wenn, dann gestützt auf einen Rollator. Das sieht aus. Ich weiß jetzt schon, welche Kommentare wohl kommen werden, wenn ich irgendwann wieder aus diesem Zimmer raus komme: Schaut euch mal die Fette an, hat so viel gefressen, dass sie nicht mal mehr alleine laufen kann. Es ist zum Kotzen. Ich war schon am Überlegen mir ein Schild zu basteln: Der Krebs hat meine Knochen zerfressen.... aber das würde nichts bringen. Dann hab ich halt Krebs, weil ich so fett bin.

Zwischendurch gibt es Momente, in denen ich mich frage, wozu das alles? Die Untersuchungen waren nicht immer schön. Im MRT hatte ich echt schiss stecken zu bleiben. Beim CT habe ich das Kontrastmittel fast erbrochen, als ich in der Nuklearmedizin zur Knochenuntersuchung war, habe ich vor Rückenschmerzen geheult und die Mammographie war auch hart, weil ich dazu stehen musste. Die Stanzbiopsie dagegen war halb so schlimm. Nach der OP, in der mein Krebs aus der Brust geschnitten wurde, habe ich heftig erbrochen. Ich hasse es mich zu erbrechen. Seit dem kann ich auch kaum etwas essen.

Gestern habe ich die Seelsorge und eine Psychologin gebraucht um wieder halbwegs klar zu kommen. Dann folgte eine Nacht mit solchen Schmerzen, dass ich wieder mal an allem zweifelte, auch daran, den Scheiß hier zu überleben.

Die Ärzte sind vorsichtig optimistisch. Sie sagen, dass es keine Heilung gibt. Sie sagen aber auch, dass man mit der Krankheit fast normal leben kann. Keiner sprach davon, dass ich davon ausgehen muss, dass sich mein Leben dem Ende zuneigt. Und von der Fachschwester weiß ich inzwischen, dass hier keine Hoffnungen gemacht werden, wenn es keine gibt.

Wenn die Therapien vorbei sind, wenn fest steht, dass ich vorerst stärker als das Krustentier bin, lasse ich mich tätowieren: Einen Drachen, der mit seinem Feuer einen Krebs grillt. Galgenhumor? Sicher, aber ohne geht es nicht.

Jetzt, wo die Diagnose steht, gibt es viele Hinweise, die ich früher schon zum Anlass hätte nehmen sollen mich mit Krebs auseinander zu setzen. Aber ich habe alles weit von mir geschoben. Das bereue ich nun, nur bringt das auch nichts.