Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Mittwoch, 30. September 2015

Die Zeit vergeht....

Ein Monat ist vergangen. Das ist eigentlich keine lange Zeit. Aber es kann sich in dieser Zeit so viel verändern. Wo fange ich also an zu erzählen?

Meine Große ist immer noch in der Kur. Aber nur noch eine Woche. Ich freue mich schon sehr darauf sie wieder in den Arm zu nehmen, mich mit ihr zu unterhalten, von Angesicht zu Angesicht. Am Telefon klingt sie schon so viel erwachsener! Faszinierend. Sie will einige Dinge klären wenn sie zu Hause ist. Sie hat Forderungen, meinte sie am Telefon heute. Sie will mehr Familienleben haben und Frieden zwischen mir, meiner Mutter, meiner Schwester und ihr. Ich bin gespannt, was sie sich so ausgedacht hat.

Meine Kleine ist mir näher gekommen. Wir haben wunderschöne Stunden miteinander verbracht. Sie setzte sich zu mir auf das Sofa, wir kuschelten und redeten. Über ihr Leben. Nicht über meine Krankheit. Sie erzählte mir von ihren Freunden, ein wenig zumindest. Es gab auch spontane Spielabende. Ich liebe es! Ich liebe meine Tochter von ganzem Herzen. Sie half mir, wenn ich sie bat, ohne großes Gemaule. Und oft wurde sie auch von ganz alleine aktiv. Ich bin ihr dankbar. Sie hat mir eine Seite an sich gezeigt, die mir die Zuversicht schenkt, dass sie ihren Weg gehen wird. Heute wurde entschieden, dass sie in die Hauswirtschaftsgruppe ihrer Berufsorientierung aufgenommen ist und sie hat sich richtig gefreut. Sie kann sich also freuen. Das ist nicht selbstverständlich, denn oft genug war sie einfach desinteressiert an ihrer Zukunft oder schlimmer noch, sie meinte, sie habe doch eh keine. Kann sich jemand vorstellen, wie weh eine solche Aussage aus dem Mund der eigenen, gerade mal 16 Jahre alten, Tochter tut? Mir zerriss es das Herz. Aber jetzt habe ich Hoffnung.

Heute habe ich um Hilfe gebeten. Ich rief meine Mutter an und bat sie um Hilfe beim Einkauf. Ich pack es nicht. Zu schwach. Ich bat sie aber auch, nicht mit mir zu meckern. Denn ich ertrage das nicht. Ich will nicht hören, wie schlimm es hier aussieht und schon gar nicht will ich hören, dass ich mich nicht hängen lassen darf und mehr kämpfen muss. Sie weiß nicht, wie es mir geht. Sie kann nicht beurteilen, wie sehr ich mich hängen lasse, oder eben nicht. Ich ertrage derzeit keine Kritik. Das ist einfach so. Wenn sie also morgen her kommt, um mir zu helfen, dann ist es so, dass schon die Bitte mir sehr schwer fiel. Käme dann noch Kritik würde ich wohl wieder wie eine Muschel dicht machen.

Was ich auch brauchen könnte, wäre ein Koch. Jemand, der mir einmal am Tag eine warme und weiche Mahlzeit reicht. Zum Kochen reicht es bei mir nicht. Dosenfutter und Fertiggerichte? Für letzteres fehlt die Mikrowelle, aber da ich die eh anschaffen wollte, muss ich wohl noch mal im Detail darüber nachdenken. Ich denke derzeit an Gerichte wie Gulasch mit Nudeln, Grünkohl, Geschnetzeltes mit Reis... essen würde ich es wohl, aber zubereiten... ich zweifle daran, dass ich es schaffe. Schon gesund koche ich eher ungern, krank.... lassen wir es.

Diese Unlust Speisen zuzubereiten und zu essen hat natürlich Spuren hinterlassen. Ich wiege unter 100kg. Das erste Mal seit...20 Jahren? Ich habe kaum noch Muskeln. Es muss sich also wirklich etwas ändern. Ich muss essen, ich muss mich bewegen um wieder Kraft zu gewinnen. Ich kämpfe also weiter. Aufgeben gilt nicht.