Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Mittwoch, 24. Juni 2015

Ergebnisse

Habt ihr es gestern rumpeln gehört so gegen halb vier?

Mir sind ganze Gebirge vom Herzen gefallen! Die Chemo war ein Erfolg! Die Tumore haben sich nicht vermehrt! In den Knochen sind die Tumore nicht mehr gewachsen. Ich habe eine Rippenfraktur und Querfortsatzfrakturen, außerdem noch eine recht frische Fraktur (Bruch) der Grundplatte des 12. Brustwirbelkörpers. Liest sich schlimm und ich war auch erschrocken. Gemacht wird da erst mal nichts. Ich bin noch mal eindringlich darauf hingewiesen worden, dass ich es mit der Bewegung eben nicht übertreiben soll und Sport noch immer genauso tabu ist wie schweres Heben. Naja... Sport lasse ich sein, dass mit dem Heben ist aber nicht immer möglich.

Die beste Nachricht ist aber, dass meine Leber nur noch zwei Tumore beherbergt! Alle anderen sind verschwunden! Das ist so unfassbar, so unglaublich.... Damit habe ich Lebenszeit gewonnen. Meine Ärztin war auch völlig begeistert. Auch die Blutwerte sind alle wieder im normalen Bereich.

Das Wochenende war schlimm. Ich hatte solche Angst, dachte, ich würde gesagt bekommen, dass ich mich auf den Tod vorbereiten solle. Mit meiner Ärztin habe ich ziemlich am Anfang ausgemacht, dass ich die Wahrheit will, auch wenn sie grausam ist und ich wahrscheinlich heulen werde. Aber ich will die Wahrheit. Und gestern sagte sie grinsend zu mir "Sie wollten ja immer die Wahrheit hören. Ich habe nicht mit einer solchen Besserung gerechnet! Hätte mir jemand im März gesagt, dass Sie im Juni aufrecht neben mir her laufen, hätte ich ihm nicht geglaubt. Und sehen Sie sich an, Sie laufen. Aufrecht."

Ich bin so froh über dieses Ergebnis. Es hat in mir Hoffnung auf eine (wenn auch kürzere) Zukunft geweckt. Etwas, dass ich in den letzten Wochen nicht mehr hatte. Da sah ich mich als Fast-Tote unter Menschen. Ich will leben. So lange wie möglich! Mit meinen Kindern, mit meinen Freundinnen und hoffentlich auch mit meinem Besten, der damit zufrieden ist, wenn ich ihn für den Besten halte. Ich liebe ihn. Das wird wohl nie aufhören.

Montag, 15. Juni 2015

Gedanken....

Es gibt Dinge, die muss man mit sich selber ausmachen. Es gibt Dinge, die will niemand hören.
In meinem Fall geht es ums Sterben. Niemand will hören, dass der Tod quasi schon hinter mir steht. Er wird kommen. Nicht heute oder morgen. Vielleicht nicht mal im nächsten Jahr und mit viel Glück noch viele Jahre nicht. Aber ich werde den Krebs nicht überleben. Ich werde eine Weile mit ihm leben. Vielleicht Jahre, ein Jahrzehnt, wenn ein kleines Wunder geschieht.
Das ist die eine Seite.
Die andere Seite: Ich sehne mich nach Zweisamkeit.
Nun stehen die Männer bei mir nicht gerade Schlange und ich will eh nur den Einen. Aber selbst wenn es so wäre, dass dieser mich wollen würde, dürfte ich? Eine Beziehung führt man im Jetzt und auf die Zukunft ausgerichtet. Aber wenn man so wenig Zukunft hat wie ich, darf man dann eine Beziehung haben? Also eine, die noch nicht bei der Diagnose bestand... Und weil ich das unbestimmte Gefühl habe, dass es sich als Sterbende nicht gehört einen Beziehungswunsch zu haben, rede ich nicht drüber. Erst letzte Woche war ja zu sehen, wie schnell es mir wieder schlechter gehen kann. Und meine Ärztin meinte, ich werde womöglich noch öfter in die Chemo müssen. Das kann man doch keinem neuen Partner zumuten. Schon gar nicht einem jungen Mann, der sich eine klassische Familie wünscht.

Gedanken wie diese beschäftigen mich in den letzten Nächten.

Und dann noch etwas. Zuständigkeitsgerangel. Ich soll am 25. Juni zur AHB. Ich habe bisher NICHTS an Unterlagen vom Rententräger. Bis letzte Woche wusste ich auch nicht, dass ich während der AHB Geld vom Rententräger bekomme statt Krankengeld. Und dann höre ich, dass es sein kann, das dieses Geld erst kommt, wenn die AHB schon beendet ist. Aber ich bin alleine, meine Kosten laufen weiter und auch wenn ich in der AHB bin, gibt es noch zwei Kinder, zwei Katzen und ein Kaninchen die versorgt sein müssen. Wie soll das ohne Geld gehen. Ich bekomme hier eine Panikattacke nach der anderen. Gestern habe ich dann eine EMail an die Sozialdienstmitarbeiterin geschickt in der ich erkläre, dass ich unter solchen Umständen eben nicht zur AHB fahren kann. Ich darf keine Schulden machen, ich habe auch niemanden, der meine Kosten trägt. Ich bin nun mal eine alleinerziehende Mutter. Und wenn ich mir Gedanken um Geld machen muss, um meine Kinder und die Wohnung, dann setze ich mich bestimmt nicht in die Ergotherapie und male Bildchen. Nein, dann werde ich wahnsinnig, kann nicht schlafen, heule ständig... Schon jetzt, beim Schreiben, bekomme ich Schweißausbrüche und bin kurz vorm Heulen. Ich hatte mich auf die AHB gefreut. Aber jetzt bedeutet sie mehr Stress für mich. Und Stress, so wird immer wieder gepredigt, tut uns Krebsatienten nicht gut.
Das der Check up noch nicht statt fand kommt ja noch dazu. Da muss ich mich um einen Termin kümmern. Jetzt gleich.

Freitag, 12. Juni 2015

Und dann kommt alles anders

Tja, das war nix. Den Termin für den Check up musste ich absagen, weil Magen und Darm mal wieder heftig protestierten. Und diesmal ist es wieder schlimm. Magenschmerzen sind übel. Ich fühle mich wieder sehr schwach.

Morgen zum Flohmarkt und dem Tag der offenen Tür der Krebsberatungsstelle wird wohl auch nichts. Es tröstet mich überhaupt nicht, dass der Wetterbericht schlechtes Wetter voraus sagt.

Sollte es übers Wochenende nicht besser werden, muss ich wohl wieder mal ins Krankenhaus. Hab ich da Lust zu? Nein, natürlich nicht!

;-)  Und weil man ja immer auch das Positive im Negativen sehen soll: Ich wiege tatsächlich unter 120kg. Keine Ahnung, wann ich dieses Gewicht das letzte Mal hatte. Es muss schon viele Jahre her sein. Wahrscheinlich waren meine Teenager noch Kleinkinder.

Passt gut auf euch auf.

Dienstag, 9. Juni 2015

Ereignisse werfen ihre Schatten

Heute hat meine Große ihre erste Prüfung für den Hauptschulabschluss. Ich bin aufgeregt! Sie wird es schaffen, da bin ich sicher und ihre Lehrer auch. Aber aufregend ist es schon. Zumal ich mich noch an Aussagen einer Lehrerin erinnere, die behauptete, meine Tochter wird nie einen Schulabschluss bekommen. Ich werde vor Stolz platzen, wenn meine Große ihr Abschlusszeugnis nach Hause bringt!
(Für die, die es nicht wissen: Tochter ist lernbehindert, hatte lange Zeit Schulangst.)

Am vergangenen Freitag war die vorerst letzte Chemotherapie. Diese Woche steht der Check up auf dem Plan. Ich bin sehr gespannt, welchen Effekt die Chemo hatte. Mal bin ich komplett entspannt und davon überzeugt, dass die Chemo sehr viel gebracht hat. Dann wieder bin ich voller Angst, dass die ganze Therapie nichts gebracht hat und frage mich, warum ich mir das ganze überhaupt angetan habe. Die Antwort kenne ich natürlich. Ich habe es für meine Töchter getan, weil ich bei ihnen bleiben will und zwar noch so lange wie irgendwie möglich.

Nach dem Check up kommt ein Termin, auf den ich mich schon sehr freue, auch wenn ich weiß, dass ich danach völlig fertig sein werde. Großer Flohmarkt in der Schleusenstadt. Der längste Markt an der Westküste. Ich werde den Rollator mitnehmen, dann habe ich mein Sitzplatz immer gleich bei mir und außerdem werde ich genug zu trinken mit nehmen. Aber ich will dieses Jahr endlich wieder über den Markt schlendern, vielleicht sogar etwas kaufen, wenn ich z.B. einen schönen Hut entdecke.
Am selben Tag ist auch Tag der offenen Tür in den neuen Räumen der Krebsberatungsstelle. Auch dort werde ich reinschauen und mich informieren.

Ich soll bald zur Anschlussheilbehandlung. Aber im Moment finde ich den Gedanken noch eher beängstigend, weil ich noch so viele Fragen habe, aber keine Antworten bekomme. Und ich will meine Kinder auch eigentlich nicht alleine lassen, mitkommen können sie aber nicht. Andererseits sieht die Klinik und vor allem die Umgebung gut aus. Und ich war dort noch nie. Ich war in meinem Leben nur an so wenigen Orten, das wird mir mehr und mehr bewusst. Und dazu kommt dann das Wissen, dass ich nicht mehr die Zeit habe, alle Orte zu sehen, die ich gerne sehen wollte. Noch kann ich damit nicht gut umgehen. Manchmal heule ich einfach drauf los und bemitleide mich selber.

Unabhängig von Ereignissen kann ich aber im Moment auch sagen, dass es mir recht gut geht. Manchmal geht es mir einen halben Tag schlecht, aber wenigstens habe ich keine Tage mehr, an denen ich glaube, ich würde gleich sterben. Ich traue mich sogar im Kleinen wieder zu planen, so wie eben jetzt mit dem Flohmarkt.