Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Sonntag, 24. Mai 2015

Plauderei

Es gibt Dinge, die habe ich noch nie im Leben getan. Großartige Dinge, wie einen Fallschirmsprung und kleine Dinge, wie ein verdrecktes Auto in die Waschstraße zu fahren. Auf den Fallschirmsprung werde ich wohl auch zukünftig verzichten, aber mein verdrecktes Auto in die Waschstraße fahren habe ich gestern erledigt.

Mein Auto stand unter eine Baum, der ziemlich viele klebrige Pollen abgeworfen hat. Es war kein schöner Anblick und wann immer ich einkaufen fuhr bildete ich mir ein, zu spüren, wie sich mein dreckiges Auto vor all den anderen Autos schämte. Nun gut, vielleicht war es auch die eigene Scham, die ich da spürte... Wie dem auch sei, es war klar, das Auto musste gewaschen werden. Normalerweise hätte ich mir nun eine Hand voll 1 und 2 Euro Münzen geschnappt und wäre zur Waschbox gefahren. Dort hätte ich meinen Wagen abgesprüht, eingeseift, wieder abgesprüht und zu guter Letzt wäre der Wachs aufgesprüht worden. Aber da mein Rücken ja so angegriffen ist, lass ich das nun lieber sein. Also muss ich in die Waschstraße.
Und da gibt es ja nicht nur ein Programm, nein, man muss sich bei dieser speziellen Waschstraße zwischen vier Programmen entscheiden.  Da meinem Auto lange nichts gutes getan wurde, gönnte ich ihm "Unsere Beste", also die teuerste Wäsche inklusive Unterboden. Wir spotteten draußen ein wenig, die Wäsche sei teurer als das Auto nach dem Unfall noch wert ist.
Nun ist mir bekannt, dass Radioantennen in der Waschstraße nichts verloren haben. Aber meine ließ sich natürlich nicht abbauen, nicht mal mit Hilfe eines sehr charmanten Herren. In Absprache mit dem Besitzer der Waschstraße gingen wir das Risiko ein und ließen die Antenne dran. Es ging gut!
Mein Auto strahlt nun wieder in Mitternachtsblau und ist wunderschön!

Außerdem war ich gestern in der Tierwelt Westküste. Einem kleinen Laden wo es alles für Haustiere gibt. Eigentlich sollten für meine Katzendamen nur zwei Transportboxen gekauft werden, die gerade im Angebot waren, weil ich bisher keine solche Box habe, es aber doch mal sein könnte, dass sie zum Tierarzt müssen. Die bisherige Lösung sie auf dem Arm zu nehmen fällt ja jetzt auch weg, mein Rücken... Mit so einer Box können dann auch meine Kinder und meine Mutter die Tiere tragen. In den nächsten Tagen werde ich also mit den beiden Katzendamen daran arbeiten in die Box zu gehen und sich dort wohl zu fühlen.
Aber wenn ich schon mal in dem Laden bin, schaue ich mich natürlich auch um. Und entdecke einiges, was ich für meine Beiden haben will. Mit in die Transportboxen gewandert ist ein Laserpointer. Eigentlich mag ich das Spielzeug nicht so gerne, aber meine Katzen lieben es. Ich mache es so, dass der Laserpunkt immer bei einem Leckerli endet, also kein Frust entsteht, weil nie etwas gefangen wird. Meine Töchter machen es auch so.
Dann haben wir noch einen kleinen Ball mitgenommen, den man mit Futter füllen kann. Wird er herum gerollt, fällt das Futter raus. Das Prinzip kennen die Katzen eigentlich schon, aber bisher mögen sie den Ball wohl noch nicht. Er ist allerdings auch nicht so leicht zu rollen wie es die bisher verwendeten Toilettenpapierrollen waren.
Am besten gefällt mir aber das Fantasy board von Trixie. Und den Katzen gefällt es auch. Sie hatten schnell heraus, wie sie an die Leckerchen kommen und gerade die größere Katze, Milly, hat gestern die Bälle fliegen lassen.

Nachdem ich im Tierladen so viel Geld gelassen habe, kam die Rechnung für die zweite Chemo. Die Erste lag bei 65€, die zweite jetzt bei 95€, wahrscheinlich hatte ich beim zweiten Mal die Antikörpertherapie dabei oder Bisphosphonate. Ich sehe schon, die Chemotherapie wird lange vorbei sein, aber die Rechnungen trudeln noch ein. Ich habe mir gestern erst mal einen bunten Aktenordner gekauft um alle Rechnungen rund um meine Erkrankung in einem Ordner zu sammeln.
Dienstag muss ich eh zu meiner Krankenversicherung hin um etwas für meine Tochter zu klären, da werde ich mir gleich mal beim Antrag auf Befreiung von der Zuzahlung helfen lassen.

Am Freitag waren wir bei der Chemo nur zu dritt. Eine angenehme, kleine Runde zumal wir drei uns auch gut verstehen. Ich wurde schon etwas wehmütig, da ich ja nur noch zwei mal dabei sein werde. Und dann nur noch alle zwei Wochen um meine Antikörper und das Bisphosphonat zu bekommen. Aber es wird dann anders sein.
Diesmal war auch schon etwas anders, denn ich brauchte zwei Stunden länger als meine Mitstreiterinnen. Ausgerechnet an diesem Freitag trafen Antikörper und Bisphosphonat zusammen. Und es dauerte ewig. Ich musste dann in einer nicht besonders bequemen Haltung auf dem Stuhl sitzen, damit der Tropf schnell genug lief. So was mag ich ja gar nicht! Sonst war es völlig egal wie ich lag oder saß, es lief immer gut. Mal sehen, wie es nächste Woche ist.

Mitte Juni ist dann der Check up. Ich bin gespannt (und etwas bange) wie die Bilder sich verändert haben. Ich hoffe, sie haben sich sehr verändert und zwar zum Guten! Auf jeden Fall wird nach dem Check up entschieden, wie es weiter geht. Vielleicht wagt dann auch mal eine der Ärztinnen wirklich eine Prognose bezüglich meiner Lebenserwartung zu äußern. Ich wünsche mir eine Aussage, auch wenn ich weiß, dass es für die Ärztinnen ganz schwer ist. Bei einigen von ihnen habe ich immer das Gefühl, sie sehen mich schon im Sarg. Andere vermitteln mir eher, dass ich noch ganz viel Zeit habe. Und bei zwei Ärztinnen bekomme ich sehr widersprüchliche Signale, was mich extrem irritiert.  Ich werde tatsächlich nur von Frauen behandelt. Und die sind zu einem großen Teil in etwa in meinem Alter. Vielleicht geht ihnen meine Erkrankung deshalb auch so nahe?

Ich habe mir übrigens Hosen gekauft. Eine ganze Kleidergröße kleiner als bisher. Meine Mutter nennt es: Das Gute im Schlechten. Ich nenne es gar nicht, spüre aber, dass ich dem nicht traue. Also ich glaube nicht, dass ich das nun niedrigere Gewicht halten könnte, wenn sich alles etwas normalisiert. Aber das wird es ja vielleicht auch gar nicht. Mein Gewicht ist inzwischen relativ stabil zwischen 122 und 125kg. Habe ich ein, zwei Tage mit Übelkeit dazwischen, verliere ich noch mal ein wenig Gewicht, aber hole das wieder rauf, sobald es mir besser geht.

Dienstag, 19. Mai 2015

Schlaflos....

Da bin ich todmüde, tapere gähnend ins Bett und was passiert? Zehn Minuten später bin ich wieder hellwach. Das dritte oder vierte mal in Folge passiert mir das. Tagsüber komme ich aber auch kaum zum Schlafen. Dieser Zustand gefällt mir nicht! Statt mich noch weiter im Bett zu wälzen lenke ich mich nun wieder ab. Ein Dauerzustand sollte dies hier aber nicht werden, folglich werde ich mir noch Gedanken machen müssen, was zu ändern ist, damit ich wieder gut einschlafe und vor allem durch schlafe. Heute werde ich wohl Bücherwurm spielen, bis die Buchstaben verschwimmen.

Morgen beantragt meine Kleine ihren Personalausweis und ich statte einigen Kollegen einen Besuch ab. Mal schauen, wen ich morgen Nachmittag noch im Büro vorfinde. Ich freue mich auf das Wiedersehen.

Donnerstag, 14. Mai 2015

Trommeln

Als ich 2013 in der Tagesklinik war nahm ich am Trommeln teil und bemerkte schnell, wie gut es mir tat. Ich konnte so viel aus mir heraus lassen beim Trommeln und gleichzeitig entspannen. Immer wieder nahm ich mir vor, mir eine Djembe anzuschaffen, aber aus den verschiedenen Gründen verschob ich die Anschaffung immer wieder.
Nach der Krebsdiagnose hätte ich gerne meine Angst und meine Wut heraus getrommelt, doch diese Möglichkeit gab es im Krankenhaus nicht. Und zu Hause auch nicht, da keine Trommel vorhanden war.
Seit dieser Woche nenne ich eine Djembe mein Eigen. Versehentlich habe ich sie zu klein bestellt, aber erst einmal reicht sie. Ich musste mich aber überwinden wirklich zu trommeln, denn noch immer will ich keinen Krach machen.
Ich kann nicht mehr laut sein. Schon seit der Trennung nicht mehr. Ich bin total gehemmt. Lautes Singen, Lachen, Schreien.... nichts geht. Und deshalb war auch das Trommeln die meiste Zeit leise. Bloß nicht auffallen. Warum? Das habe ich nicht mal in der Therapie heraus finden können. Früher, vor 2009, konnte ich laut werden. Und wie! Ich ließ Freude wie Ärger einfach raus. Das klingt jetzt schlimmer als es war. Ich brüllte nicht ständig, aber wenn mich etwas ärgerte, dann ließ ich es kurz und knackig raus. Ich kann nicht mal mehr richtig heftig heulen, schluchzen... Nicht mal direkt nach der Krebsdiagnose. Ich spüre nur einen festen Kloß in meinem Bauch und ein Knoten im Hals. Manchmal habe ich regelrecht Angst zu ersticken. Trotzdem kann ich es nicht rauslassen.
Nun hoffe ich über das Hilfsmittel Trommeln diesen Kloß und den Knoten zu lockern. Und nach der ersten "Trommelrunde" fühlte ich mich wirklich gelöster.

Leider folgten dem Trommeltag wieder einmal Tage des Elends. Montags kam die Trommel. Dienstag wachte ich auf und bemerkte schon die Übelkeit. Tja, schon die Tabletten des Morgens blieben nicht im Magen. Im Laufe des Tages ging es mir schlechter. Ich habe mir wohl wieder einen Magen-Darm-Infekt eingefangen. Gegen Abend folgte das übliche Spiel: Einen Moment schwitze ich, im nächsten bräuchte ich drei Decken um nicht zu erfrieren. Die Nacht war schrecklich. Inzwischen kenne ich das Spiel ja schon und so entschloss ich mich zu Hause zu bleiben und nicht ins Krankenhaus zu gehen. Fieber hatte ich außerdem auch keines.
Mittwoch, der Geburtstag meiner Kleinen. Ich konnte ihr die Geschenke übergeben und verbrachte den ganzen Tag im Bett. Gegen Abend schlief ich ein.
Heute morgen um halb sechs wurde ich wach und war dann auch hellwach. Es ging mir wieder gut! Einfach so. Gegen Mittag traute ich mich dann auch etwas zu essen und alles war gut.

Morgen ist Chemo Nr.9 dran. Die letzten Male habe ich am Freitag Chemo. Noch drei Mal, dann soll die Bestrahlung stattfinden. Antikörper und Bisphosphonate werden nach der Chemo aber weiter alle zwei bzw. vier Wochen verabreicht. Nach der Bestrahlung wird dann geguckt, wie erfolgreich die Behandlung war. Ich habe Angst, dass sich nichts getan haben könnte.