Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Mittwoch, 4. November 2015

Heute wieder der rote Cocktail....

Früh am morgen geht es los. Um halb acht kommt mein Taxi und plaudernd fahren wir zum Krankenhaus. Ich mag die Fahrerin. Sie ist mir inzwischen sehr vertraut und wie es der Zufall so will, kennt sie mich quasi schon mein ganzes Leben lang. Sie kennt meine Familie, meine Eltern, meine Großeltern, Geschwister und Onkel und Tanten. Überhaupt kennt sie ja Gott und die Welt und so erfahre ich immer eine Menge von ihr. Auch was so geplaudert wird. Es reicht nicht, dass ich eine beschissene Krankheit namens Krebs habe. Es reicht nicht, dass dieser aggressiv ist und gestreut hat. Es reicht den Leuten nicht, sie müssen meine Lage immer noch ein klein wenig dramatischer darstellen, als sie es ist. Ich tanze derzeit also auf Messers Schneide und bin dem Tod näher als dem Leben. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.

Kein Arzt wird mir eine Lebensdauer prognostizieren. Niemand wird mir seriös sagen, dass ich noch mindestens bis Tag x Zeit habe mein Leben zu leben. Die Erfahrungen mit dieser Art der Krankheit sprechen eine recht eindeutige Sprache, aber der individuelle Fall kann davon doch extrem abweichen. Und weil ich eben so bin, wie ich bin, setze ich natürlich darauf, dass mein individueller Fall in einem fast normal langem Leben mündet.

Im Krankenhaus geht alles seinen gewohnten Gang. Ich nehme meinen Lieblingsplatz ein. Er ist in der Mitte des Raumes, ich habe den kompletten Überblick, kann den Stuhl bis zum Liegen stellen, wenn mir danach ist. Ich habe die Tageszeitung und den Stern dabei. Leider sind die beiden Patientinnen der letzten Woche nicht da. Ich hätte mich gerne wieder mit ihnen unterhalten, zumal ich es tatsächlich geschafft hatte, mir die Namen zu merken.

Heute sind neben mir noch vier weitere Damen dort. Nicht alle von ihnen erhalten eine Chemotherapie. Es gibt auch Antikörper und Knochenstärkung. Zwei der Damen waren gerade in der Anschlussheilbehandlung und erzählen davon, die Dritte hört interessiert zu, ist aber derzeit noch der Meinung, eine solche Behandlung nicht haben zu wollen. Ich schweige und habe gerade keine Meinung dazu. Muss ich auch nicht immer.Überhaupt ist mir heute so gar nicht zum Reden. Ich will meine Diagnose und meinen Werdegang nicht schon wieder erklären. Ich bin dankbar, dass ich nicht gedrängt werde und froh, als ich mich für heute verabschieden kann.

Das Gefühl meiner Chemotherapie gegenüber ist wie immer. Ich schaue den roten Tropfen dabei zu, wie sie in meinen Leib rinnen und fühle mich dabei sehr gut. Der Kampf geht weiter. Die Ritter sind bewaffnet, entschlossen und bereit zu gewinnen. Ich spüre keine Nebenwirkungen, nichts, was darauf hin deutet, dass etwas nicht genau richtig sein könnte. Kraft spüre ich! Wie beschwingt bin ich letztlich, als das ganze Medikament in mir ist und ich weiß, es arbeitet.

Ein neuer Fahrer holt mich ab. Wir plaudern nett, er erzählt von sich und seinen Plänen, ich von mir und den Meinen. Eine angenehme Fahrt nach Hause. Der Tag ist halb um und ich fühle mich soooooo energiegeladen. Wie gerne würde ich jetzt etwas unternehmen! Vielleicht nach Itzehoe fahren und mich mit Dekomaterial bei Depot und Kunst und Kreativ eindecken? Ich will ja immer noch einen besonders schönen Adventskalender haben. Und ich brauche auch noch ein Stativ, ich könnte zu Mediamarkt fahren und schauen, ob ich eines finde..... Tja. Und was passiert dann? Plötzlich schlafe ich ein. Einfach so. Bin den ganzen Nachmittag wie weg getreten. Ich habe in den letzten Tagen wohl etwas zu wenig Zeit mit Schlaf verbracht.

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