Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Montag, 2. November 2015

Lebenszeichen

Es ist schon November und ich lebe! Ja, ich lebe wirklich. Klar, ich bin oft schwach, aber dennoch ist da dieser Funke in mir, der mich nicht nur einfach am Leben hält, sondern immer wieder die Hoffnung gibt, eines Tages wieder ein halbwegs normales Leben zu führen. Ja, ich träume noch immer davon in wenigen Wochen wieder am Schreibtisch zu sitzen. Ich will arbeiten! Ich will etwas Normalität. Und wenn es erst mal nur drei Stunden sind. Vielleicht arbeite ich nicht wieder direkt mit den Kunden zusammen. Vielleicht mache ich nur die reine Sachbearbeitung. Aber bisher sehe ich keinen Grund nicht davon auszugehen wenigstens wieder Teilzeit arbeiten zu können.

Ich brauche nur etwas mehr Kraft....

Und ich habe immer noch Sehnsucht in mir. Diese Erkenntnis hat mich ganz schön überrascht, zumal ich wenige Stunden vorher davon überzeugt war, gar keine Gefühle mehr zu haben. Aber auch dieser Funke ist noch vorhanden und ich pflege ihn gerade mit einem sanften Grinsen. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn er mich im Arm hielte. Ich male mir aus, wie es wäre, wenn ich ihn berühre und er mich. Und alles was ich mir dabei ausmale fühlt sich so verdammt gut und richtig an. Ich könnte ihn einladen. Ich weiß, wir würden einander wieder nahe kommen. Er würde mich halten. Wir würden einander aufs Neue erkunden und es wäre so anders als beim letzten Mal, nicht nur in Anbetracht der Endlichkeit meines Seins, sondern auch, weil mein Körper eben sichtlich anders ist. Ich meine, ich habe mich gedrittelt! Und ich habe erstaunt fest gestellt, dass sich meine Haut ganz toll mit zurück entwickelt hat. Ja, ich bin weich und rundlich. Aber nicht seltsam verzerrt in einem zu großen Körper mit viel zu viel Haut. Und was hatte ich für Ängste deshalb..... Hatte ich doch erwartet, mein Bauch würde mir quasi bis zu den Knien hängen, aber dem ist überhaupt nicht so.

Vor einigen Tagen fühlte ich mich noch gar nicht. Ich empfand meinen Körper als ganz und gar fremd. Als würde er gar nicht zu mir gehören. Aber es änderte sich. Ich habe ihn angesehen, habe ihn angenommen und allmählich fühle ich mich wohler. Ich trage mehr und mehr Kleidung, die zu diesem Körper passt, was dazu beiträgt, dass ich mich noch wohler fühle. Und ich glaube, je mehr ich meinen neuen Körper annehmen kann, je mehr ich Vertrauen in ihn fasse, desto besser wird es mir gehen.

Übermorgen steigt der nächste Kampf. Die nächste Runde Chemo-Ritter wird in meinen Leib laufen und wieder wird der erbitterte Kampf aufgenommen werden. Ich sehe die Kämpfer so grimmig entschlossen vor mir, sie nicken mir zu und in ihren Augen liegt das tiefe Versprechen, dass sie siegreich sein werden. Ich fühle so einen großen Frieden bei diesem Bild! Was ja ein Widerspruch in sich ist, denn immerhin ziehen die Ritter in den Krieg gegen die Krebszellen.... Aber ich kann es einfach nicht besser beschreiben. Ich kann nicht aufgeben.

Mein Stammforum unterstützt mich in diesem Kampf auf eine Art und Weise, die mich tief berührt. Immer wieder gibt es Karten und Geschenke. Kleine und unfassbar große. Manchmal dachte ich, ich könnte es nicht annehmen. Eben, weil es so unfassbar große Gesten waren. Aber inzwischen genieße ich es einfach nur. Diese Menschen haben ja für sich entschieden, dass sie mir helfen wollen. Warum sollte ich sie hindern? Irgendwann werde ich dann jemanden helfen, der in einer ähnlichen Lage ist, wie ich nun. Es ist ein großes Geben und Nehmen. Aber die kleinen Gesten sind genauso wichtig. Jede einzelne Karte ist mir so kostbar, dass ich sie aufbewahre. Ich bin jeden Tag wieder gerührt und freue mich, wann immer ich etwas in die Hand nehme, was von meinen Forendamen kommt. Ich liebe die Mützen, Schals und Socken. Ich liebe die Karten, die Sprüche, die Gedanken die dahinter stecken. Ich liebe die Malbücher, die mir einen Moment der Entspannung schenken, ich liebe einfach alles. Hätte ich vor Jahren geglaubt, dass ich mal so dazu gehören würde? Nein, niemals. Was war ich damals naiv. Eine Hausfrau mit einer Menge Flausen im Kopf. Aber dann... sie begleiteten mich durch die Trennung, die Ausbildung... durch mein Leben. Sie erweiterten meinen Horizont, gaben mir tolle Hinweise und gaben mir auch mal schmerzhafte Ratschläge. Mein Kopf wurde mir mehrfach gut gewaschen und doch bekam ich immer Halt, wenn ich ihn brauchte. Vielleicht ist doch etwas dran, wenn mir gesagt wird, dass ich einfach etwas Gutes verdient habe?

Ich lebe also noch. Und ich habe nicht vor etwas daran zu ändern. Ich werde weiter leben und mein Leben wird nach und nach wieder besser. Ich werde zu neuer Kraft kommen. Ich werde den Krebs weiter in seine Schranken weisen und ansonsten ein möglichst gutes Leben führen.

Ich freue mich schon auf Weihnachten. Nach und nach bin ich dabei meine Wohnung mehr und mehr zum Leuchten zu bringen. Ich liebe derzeit jede Form von Lichterketten. Ich muss unbedingt noch zu Ikea! Und ich will zum Bummeln nach Lübeck. Da habe ich vor zwei oder drei Jahren so viele tolle Läden gesehen... Meine Mutter wird mit mir hinfahren und wir werden dann auch gleich noch meinen Onkel besuchen. Bietet sich an, wenn wir schon dort sind. Ich habe schon eine Idee für den Adventskalender, aber kaum Ideen für Geschenke. Ich selber wünsche mir nur gemeinsame Zeit. Und gutes Essen. *lacht* Ich habe immer noch ein Problem mit dem Kochen. Und meine Mädchen sind genauso unbegabte Köchinnen wie ich. Leider.

1 Kommentar:

  1. Schön von Dir zu lesen, liebe Trischa! Mach weiter so, ich bin mir sicher, Du verweist den Krebs auf die allerletzten Plätze, wo er hingehört!

    Liebe Grüsse
    Clara

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