Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Dienstag, 28. April 2015

Hoffnung!?!

Die durchschnittliche Lebenserwartung bei fortgeschrittenem Brustkrebs liegt heute bei etwa zwei Jahren nach dem ersten Auftreten von Metastasen. Doch etwa ein Viertel der Patientinnen lebt noch fünf Jahre und jede zehnte Betroffene mehr als zehn Jahre lang. Diese Angaben beruhen jedoch auch auf historischen Betrachtungen; wie lange eine Patientin mit den heutigen, modernen Therapien leben kann, ist noch nicht bekannt.

Diesen Text habe ich so oder ganz ähnlich auf so ziemlich jeder Seite über fortschreitenden Brustkrebs gelesen.   Zwei Jahre, fünf Jahre, mehr als zehn Jahre. Dazu die Aussage einer der Ärztinnen der Station auf der ich dieses Jahr schon so viel Zeit verbracht habe: "Ich habe bisher keine Patientin an den Krebs verloren und ich arbeite hier jetzt seit sieben Jahren." Strohhalme, an die ich mich an manchen Tagen klammere. An den meisten Tagen aber ist der Gedanke an meinen möglichen Tod genauso weit weg wie vor der Diagnose. Bin ich dickfellig? Habe ich mich noch immer nicht meiner Krankheit gestellt? Verdränge ich? Ich habe keine wirkliche Antwort auf diese Fragen.

Ich habe mich durchaus schon mit dem Thema Tod beschäftigt. Auch mit meiner Beerdigung, wie ich es gerne hätte, was mir egal wäre, was meine Töchter entscheiden müssten. Allerdings ist inzwischen auch der Gedanke da, meinen Körper der Wissenschaft zu überlassen, wenn dies für meine Kinder und meine Mutter in Ordnung wäre. Wir werden darüber reden müssen. Und die Frage ist, ob mein Körper überhaupt von Interesse ist.

Eigentlich wollte ich schon lange schlafen. Aber plötzlich ist da dieser Gedanke an den Tod. Und er lässt sich partout nicht beiseite schieben.
Ich kann jetzt noch nicht sterben. Nicht nur, weil ich noch viel zu jung bin, sondern auch, weil sich dann andere um mein Chaos kümmern müssten. Alleine wenn ich daran denke, was noch alles im Keller liegt... Nein, dass geht gar nicht. Auch schaue ich in den letzten Tagen meine Bücher an und denke, dass ich anfangen sollte zumindest einige davon weg zu geben.
Vorhin habe ich in die Abseite geschaut. Hätte ich besser nicht tun sollen. Auch dort so viel Kram... Ich darf nicht darüber nachdenken, wie viel Geld da eigentlich liegt. Und ich werde diesen Kram wohl kaum wieder zu Geld machen können, was schade ist.

Ich hatte heute meine Kleine bei mir sitzen. Wir alberten ein wenig herum, kritzelten uns gegenseitig an und erzählten Blödsinn. Ein Moment für die Ewigkeit. Und da war der Gedanke wieder da. Zwei Jahre. Weniger vielleicht. Das kann doch unmöglich sein! Meine Tochter kann nicht mit 17 oder 18 ihre Mutter beerdigen. Das geht doch nicht! Sie wird mich noch brauchen, ich will ihr noch Schönes zeigen, will an ihrer Seite sein, wenn sie erwachsen wird. Ich kann nicht sterben. Nicht heute, nicht in zwei Jahren, nicht in fünf und auch noch lange nicht in zehn Jahren. Das ist kein trotziger Gedanke, auch wenn es sich im ersten Moment sicher so liest. Nein, es ist ein Gedanke, der mit einer ruhigen Festigkeit in meinem Kopf sitzt, dass es ausgeschlossen erscheint, es könnte anders sein.

Es gab Zeiten, da war der Gedanke an den Tod nichts, was mir Angst machte. Der Tod war für mich so etwas wie das Hintertürchen. Wenn mir alles zu viel wird, dann weiß ich, wo der Ausgang ist. Ich geh dann... Und jetzt? Ich will nicht gehen. Ich werde nicht gehen.Ich werde zu den Frauen gehören, die auch in mehr als zehn Jahren noch mit dem Krebs leben. Kann ja gar nicht anders sein.

Ich habe keine Ahnung, ob irgendwas von dem, was ich geschrieben habe, für jemanden außerhalb meines Kopfes einen Sinn ergibt. Mir erscheint alles völlig klar und logisch. Ich werde bestimmt gleich gut schlafen und etwas wunderbares träumen. Vielleicht vom Besten, einem Spaziergang an der Havel entlang...  ;-)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen