Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Samstag, 5. Juli 2014

Ein Abschluss

Meine Große hatte gestern ihre Abschlussfeier. Sie hat ihr Abschlusszeugnis der Förderschule erhalten und ich bin richtig stolz auf meine Große.

Sie kam in den Kindergarten und konnte kaum ein Wort deutlich sprechen. Ich verstand sie damals immer, aber damit war ich auch recht alleine. Der Kinderarzt, den ich auf ihre sprachliche Entwicklung ansprach, beruhigte mich immer wieder. Sie wäre halt spät dran.
Ich ärgere mich heute noch, dass ich ihm damals trotz meines widersprechenden Bauchgefühls vertraut habe. Mit vier Jahren kam sie endlich in den Kindergarten. Und nach wenigen Tagen bekam ich von dort schon die Rückmeldung, dass etwas getan werden müsse.
Ab dann hatten wir bis zu drei Termine in der Woche. Logotherapie, Ergotherapie und dazu noch Termine in der Uni Klinik Eppendorf. Meine Große hatte es schwer, aber anscheinend hatte ich nicht viel falsch gemacht, denn obwohl sie so umfassende Probleme beim Spracherwerb hatte, war sie immer positiv gestimmt und "sprach" mit jedem. Sie ließ sich nicht beirren. Eine Kämpferin. Ich erhielt von den Fachleuten immer wieder Lob, dafür, dass ich viel mit ihr sprach und ihre Worte immer wiederholte, statt sie zum nachsprechen aufzufordern.

Bis zum Schuleintritt führte ich viele Debatten. Ihre Sprache war inzwischen recht gut, der Wortschatz aber noch klein. Sie wurde dennoch eingeschult. Und ab dem Tag hatten wir viel, viel Ärger, denn sie verweigerte sich in der Schule. Weitere Problemfelder taten sich auf und von den Lehrern kamen sehr widersprüchliche Signale. Mal hieß es, wir müssten sie in Ruhe lassen, dann wieder hieß es, wir würden zu wenig mit ihr üben und sollten mehr Druck ausüben. Erst als unser Familienleben fast schon zerbrochen war und ich am Ende meiner Kraft war, wurde sie endlich auf verschiedene Lernbehinderungen getestet und was soll ich sagen, sie hatte quasi den Jackpot. Die Probleme waren umfassend. Sie bekam die Einstufung als Lernbehindert und einen I-Status.

Mit diesem wechselte sie dann auch auf die Regionalschule, wo es eine Weile gut ging, dann aber rapide bergab. Am Ende erfuhr ich auf einen Elternabend völlig überraschend von mehr als 20 Fehltagen. Danach begann wieder eine Lauferei. Hilferufe ans Jugendamt. Besuche bei einem Psychiater, weil meine Tochter mit Selbstmord drohte. Damit wir zum Psychiater konnten, beantragte ich das alleinige Sorgerecht und erhielt es auch. Diagnose dann Schulangst. Und die Lehrer hatten trotzdem nichts besseres zu tun, als auf meinem Kind herum zu hacken. Darauf hin der Wechsel an die Förderschule auf Empfehlung des Psychiaters hin. Es ging ihr besser, aber nicht gut. Auch dort hatte sie ihre Schwierigkeiten. Die Tatsache, dass sich ihr geliebter Vater aus ihrem Leben verabschiedet hatte, machte das alles nicht leichter. Aber an dieser Schule gab es endlich interessierte und engagierte Lehrer, die meine Tochter nicht nur als Störfaktor ansahen, sondern ihre guten Seiten sahen und förderten.

Und jetzt hat sie ihren ersten Schulabschluss in der Tasche. Sie wird Ende des Sommers weiter zur Schule gehen, denn laut dem Gutachten der Bundesagentur für Arbeit hat sie das Zeug dazu, den Hauptschulabschluss zu erreichen. Und genau das strebt sie nun auch an.

Die Feier war toll! Nicht vergleichbar mit anderen Abschlussfeiern. Es gab keinen Ball und nur fünf Abschlussschüler. Aber so war die ganze Feier sehr persönlich. Die Abgänger wurden vorgestellt, es wurde von ihrer Zeit in der Schule erzählt und am Ende boten die Lehrer den Abgängern das Du an. Man merkte auch den Lehrern an, dass sie die Kinder nur schweren Herzens ziehen lassen und gleichzeitig sehr stolz auf das Erreichte sind. Nach dem offiziellen Teil saß man noch zusammen, aß etwas vom Buffet, dass die Eltern zusammen gestellt haben und die Abgänger und einige andere Schüler nutzten die Bühne als Tanzboden.

Später gingen wir Erwachsenen nach Hause und die Abschlussschüler trafen sich zum Fußball gucken und feiern bei einem ehemaligen Schüler.
Meine Tochter ist noch heute richtig begeistert. Nicht mal die Abwesenheit ihres Vaters konnte ihre Freude über die gelungene Feier trüben.

Meine liebe "Schildkröte", ich weiß, dass du diesen Blog kennst, weiß aber nicht, ob du hier auch regelmäßig liest. Aber wenn, dann möchte ich dir auch hier noch mal sagen: Ich bin wahnsinnig stolz auf das, was du bisher alles erreicht hast und ich werde alles tun, um dich bei deinem Traum zu unterstützen! Ich liebe dich mehr als ich es mit Worten ausdrücken kann. Deine Mama.



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