Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Sonntag, 1. März 2015

Wut

Ich bin soooo wütend! Immer wieder habe ich den Impuls etwas an die Wand werfen zu wollen. Immer wieder stelle ich mir vor, wie ich diese Wut in ein Bild umsetze. Wie ich den Pinsel kraftvoll führe, aggressives rot auf die Leinwand bringe. Ich wünsche mir eine Trommel, alle Wut möchte ich raushauen. Und was mache ich wirklich? Ich liege im Bett und bin manchmal wie gelähmt. Nicht mal heulen kann ich dann.

Ich habe mich mit der Krankheit auseinander gesetzt. Die Lebenserwartung sieht erst mal nicht so rosig aus, wobei überall dabei steht, dass es eine historische Betrachtung ist und man noch keine Werte hat, wie es mit den heute zur Verfügung stehenden Therapien aussieht. Klar klammere ich mich daran, dennoch werde ich den Gedanken nicht los, dass in einigen Monaten alles vorbei sein könnte.

Ich brauche eine Patientenverfügung. Ich werde mich damit auseinander setzen müssen, wie weit ich zu gehen bereit bin. Und dabei muss ich auf mich schauen, nicht auf meine Kinder, nicht auf meine Mutter. Nur auf mich. Was will ich? Was halte ich aus? Welchen Preis bin ich zu zahlen bereit?

Ich erwäge meine Rentenversicherung zu kündigen und das Geld für eine Beerdigung anzulegen. Dann brauchen sich weder meine Kinder noch meine Eltern darüber Gedanken machen.

Ich will mich mit dem ganzen Scheiß nicht beschäftigen müssen! Ich will vor mich hin summend im Sonnenlicht über eine Blumenwiese schlendern, dabei Schmetterlinge, Vögel und anderes Getier beobachten und nicht daran denken, dass sich in meinem Körper Zellen eingenistet haben, die da nicht hingehören. Ich habe diesen Zellen nicht erlaubt Untermieter zu werden!

Wenn die Therapie gut anschlägt und sich meine Lebensaussichten verbessern, werde ich mich damit beschäftigen müssen, eine andere Wohnung zu mieten. Ich wohne jetzt im ersten Stock und es gibt natürlich keinen Fahrstuhl. Ich werde eine EG-Wohnung brauchen und selbst da wird es einige Stufen zu überwinden geben. Und wie wuppe ich den Umzug? Scheiße! Ich werde auf Hilfe angewiesen sein. Mein ganzes restliches Leben.... Ich hasse es! Ich habe so viel dafür getan alleine klar zu kommen und nun.... FUCK!!!!!!!!!!! Dieser verfluchte scheiß Krebs macht einfach mein Leben kaputt. Von einem Tag auf den anderen ist nichts mehr, wie es sein sollte. Nichts mehr, wie ich es mir wünsche. Ich muss mich von so vielem Verabschieden.

Ich will die ganze Zeit fluchen. Laut schreien. Gegen Dinge treten und schlagen. Aber ich kann es nicht. Ich bin ruhig. Manchmal weine ich ein wenig. Manchmal schlage ich meine Faust aufs Bett. Manchmal tu ich mir selber weh um nicht wahnsinnig zu werden. Nicht schlimm bisher, ich kratze mir meine Füße auf, wie früher schon, ich presse meinen Fingernagel in die Haut bis es wirklich weh tut. Im Moment fühle ich mich gefangen in meinen schwachen Körper und ich hasse dieses Gefühl.

Mir ist klar, dass es gesünder wäre, die Wut raus zu lassen, aber ich kann einfach nicht. Hinter der Wut steckt nämlich eine ganze Menge Angst und die wird mich überwältigen, wenn ich die Wut zulasse und rauslasse. Und was passiert dann, wenn die Angst mich fest im Griff hat?  Ich befürchte, dann gebe ich auf und gehe unter. Ich darf aber nicht aufgeben! Meine supertollen, lieben, tapferen Mädchen brauchen mich doch. Lieber eine kranke Mutter als keine. Schlimm genug, dass der Vater sich nicht kümmert. Er sagt, er kann sich nicht kümmern, weil er so krank ist. Vielleicht stimmt das, aber ich bin trotzdem auf ihn wütend.

Es ist so scheiße alles. Diese verdammte Krankheit.

Ich neige sonst dazu selbst das kleinste Licht in der tiefsten Dunkelheit zu entdecken.  Auch mit dieser Krankheit. Aber jetzt, in diesem Moment, bin ich einfach nur wütend, dass es mich trifft, dass mein Lebensplan zerstört  und sich mein Leben und das meiner Mädchen grundlegend ändern wird.


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