Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Montag, 4. August 2014

WACKEEEEEEN! Es geht weiter

Ich hab euch gar nichts von der Bandausgabe erzählt, oder?
Als ich auf den Platz gefahren bin, kamen irgendwann Ticket Kontrolleure und rissen den ersten Abschnitt ab. Und erklärten, man solle möglichst bald zur Bandausgabe gehen, wo man Ticket und Personalausweis vorzeigen muss. Klar. Mach ich glatt. Der Weg war schon ein kleines Abenteuer, aber ich hab's gefunden. Immer der Masse nach, dann klappt es schon. Ein Motto, an das ich mich noch öfter gehalten habe. Hier seht ihr einmal ein Bild vom Schlange stehen. Dieser Schlangen gab es mindestens drei. Als ich mich anstellte rechnete ich mit stundenlanger Wartezeit. Doch bis ich mein Band und mein Beutel hatte, war gerade mal eine halbe Stunde vergangen. Das Team an der Ausgabe war richtig flott!

  Tag II Donnerstag

Der erste offizielle Festival Tag
Etwas ist falsch, bemerke ich im Halbschlaf und werde ganz, ganz langsam wach. Kein Techno zu hören aber.. Verdammt! Das sind Regentropfen. Auf meinem Zelt. IN meinem Zelt. An den Seiten ist mein Zelt nass. Die Flaschen Selter liegen schon in einer Pfütze, mein Kissen und meine Decke sind an einigen Stellen feucht. [Man denke sich an dieser Stelle eine Menge Geschimpfe, meistens von Exkrementen handelnd und einem ganz bestimmten Wort, welches mit f beginnt] Aus den Nachbarzelten höre ich friedliches Schnarchen. Ich schätze, deren Zelte halten dicht.

Ich habe also alles ganz schnell in mein Auto geschmissen, mich selber hinterher. Und dann habe ich dort noch eine Stunde geschlafen. Beim nächsten Erwachen waren auch um mich herum alle wach, man war dabei zu frühstücken oder sich zu waschen (Ein Gruß an meine Nachbarn, ihr seit wirklich ein schöner Anblick am Morgen gewesen.). Und ich wäre in meinem Auto fast erstickt, denn urplötzlich war es warm. Die Sonne hatte schon am Morgen viel Kraft und ich kann meine Fenster nicht öffnen, die sind defekt. 

Ich hab mich angezogen, hatte keinen Hunger, hab das Dixie aufgesucht und bin dann langsam zum Festival Gelände gewandert. Das Infield war noch immer zu und die Bühnen noch immer beeindruckend groß. Ich hab ja versucht mal nur die Bühnen drauf zu bekommen, aber keine Chance, irgendwer lief mir immer vor das Fon.
Natürlich zog es mich, nach einem Bummel an den ganzen Ständen entlang, wieder ins Wackinger Village. Ich sah mir die Kämpfe an (wie gerne würde ich den Schwertkampf probieren, aber meine Kondition...), aß wieder lecker und hörte die Musik.
An diesem Punkt eine Kritik an die Veranstalter (werde ich auch noch in deren Umfrage anbringen): Vor der Wackinger Stage war ziemlich viel los, es gab also ein großes Interesse an den dort spielenden Bands, aber immer wenn auf der Black Metal Stage eine andere Band spielte (gefühlt vier mal so laut), dann konnte man im Village kaum noch die dort spielende Band hören. Vogelfrey haben schlicht keine Chance gegen Hammerfall anzuspielen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich es nun so gut fand im Wackinger Village Hammerfall zu hören. Die hören sich geil an, keine Frage, aber ich wollte Vogelfrey....
Ich saß heute meistens im Angesicht dieses Kunstwerkes:
Wie man gut sehen kann, saßen dort viele Menschen herum und so hatte ich wieder eine Menge zu sehen. 
Diese Pommesgabel war mal ein Baum. Mitten auf einer Weide. Unten am Stamm sind Steine in den Boden eingelassen, ich schätze, sie sollen etwas Schutz bieten. Denn normalerweise stehen auf dieser Weide Kühe oder Pferde. Dann ist die Pommesgabel eine gute Kratzgelegenheit. Wenn aber die Metalheads Wacken erobern, dann ist es ein beliebtes Fotomotiv. Meistens stehen diese Menschen vor dem Stamm, deuten mit einer Hand nach oben zum Bullhead, schreien "WACKÖÖÖN!" und zeigen mit der anderen Hand auch eine Pommesgabel. Ich hatte erst überlegt ein Selfie zu machen, aber ich fand mich Donnerstag einfach nur doof und überhaupt nicht fotogen, also hab ich es gelassen.



Am Abend wurde es wieder gemütlich, ich saß auf den Boden, schaute zur Bühne, sang mit und fühlte mich gut und schlecht zugleich.
Als ich dann später im Auto lag, denn dem Zelt traute ich nun nicht mehr, erwog ich nach Hause zu fahren und das Festival einfach sein zu lassen. Ich konnte ja nicht so mitmachen, wie ich gerne wollte, hatte zu dem Zeitpunkt schon schmerzende Blasen an den Füßen und war zwei mal übel angepöbelt worden. Ja, 99,999999% der Metalheads und der Touris* (und ich bin selber einer) sind total tolerant und freundlich. Aber wie überall gibt es auch beim W:O:A die anderen. Ich wurde als "Du bist so hässlich" angegröhlt und als ich, dank des Staubes, ständig nieste und Nase schnaubte, wurde ich aufgefordert "Geh sterben Alte!". Auch nett der Kommentar einer anderen Besucherin, als ich mich vom Boden erhob "Boah, jetzt muss ich den fetten Arsch sehen." Das tat weh. Aber es gab auch andere Begegnungen, noch am selben Tag. Ich bin mehrfach angesprochen worden, ob ich Spaß habe, glücklich sei oder ein Bier trinken wolle. Letzteres habe ich immer verneint, ich mag nun mal kein Bier. 
Wie auch immer, ich schlief ein, diesmal ganz ohne Techno sondern zu den Klängen von Metallica, Der andere Nachbar hat halt Geschmack!

Tag III Freitag

Ich muss duschen.
Ein langes hin und her überlegen, nach dem ich wach geworden war. Dusche ich auf dem Platz? Gehe ich zum Bauern rüber? Fahre ich nach Hause? Ich entschloss mich zu letzterem. Ging zu Hause duschen, zog mich um, fuhr mit meiner Tochter noch mal einkaufen und kehrte dann nach Wacken zurück. Und irgendwas hatte sich geändert. Ich hatte meinen Frieden mit mir gemacht. Gut, dann kann ich eben nicht in der Menschenmasse vor der Bühne sein. Dann kann ich eben nicht stundenlang tanzen. Aber ich kann trotzdem die Musik hören und ich kann mir alles ansehen. Ab jetzt war das Gefühl kein "ich will dazu gehören" sondern ein "ich bin dabei".
Natürlich war ich wieder im Wackinger Village, aber dann verbrachte ich die meiste Zeit hier:
Auf die Leinwand wurden alle Konzerte der True Metal und Black Metal Stages übertragen. Ich konnte also die Konzerte sehen und hatte es relativ gemütlich. Ach ja, fürs nächste Jahr brauche ich eine Decke mit Isolation zum Boden und ein kleines Kissen. *fg*

Ich war aber auch bei der Party Stage. Santiano schauen. Die waren gut. Hat richtig Spaß gemacht, auch wenn ich kaum eines ihrer Lieder kannte.
Auch zu Saltatio Mortis war ich wieder im Infield vor der Party Stage. Da kannte ich dann tatsächlich fast alle Lieder und konnte mit singen. ABER: Ich mag SaMo lieber auf einer kleinen Bühne. Ich beobachte doch den Lasterbalk so gerne und das war leider gar nicht möglich. Außerdem mag ich noch dazu das Mittelaltergedudel lieber als das rein rockige. 
Außerdem habe ich auf der Leinwand die Konzerte von Apocalyptica with orchestra (Soooo geil!), Motörhead (kult, eh, und endgeil) und Slayer gesehen. Nach SaMo bin ich zurück zum Zeltplatz. Ich war total müde!

Tag IV Samstag

Der letzte Tag W:O:A

Der letzte Tag bricht also an. Ich wanderte diesen Tag zwischen Wackinger Village, Infield und Leinwand hin und her. Und fühlte mich soooo gut. Hey, ich bin in Wacken, ich habe Slayer und Motörhead gesehen, habe noch ein paar Euros in der Tasche und kann den Tag einfach genießen. Und das tu ich. 
Mr. Hurley und die Pulveraffen höre ich nebenbei, während ich esse. Bei Impius Mundi sitze ich am Met-Schiff angelehnt und höre zu. Und schlafe vielleicht auch mal ein. Dann kommen Ye banished Privateers und ich bin so was von wach. Die gefallen mir! Pampatut kenne ich ja nun schon, deshalb mache ich mich mal auf die Suche nach etwas anderer Unterhaltung und finde sie in einer Kampfvorführung. Außerdem schaue ich mir die Wasteland Warriors noch mal genauer an. Bisher hatte ich sie nur mal gesehen, wenn sie gegen Abend mit ihren Gefährten durch das Village gefahren sind (leider habe ich davon keine brauchbaren Fotos). Sehen aus, als kämen sie aus einem Film. Inzwischen weiß ich, dass als Grundlage wohl ein PC-Game diente.


Die berühmten Bullheads gibt es an mehreren Plätzen, dies ist der im Wasteland. Der Bullhead bei den Hauptbühnen ist schon beeindruckend, wenn er dann brennt, aber dieses Exemplar ist auch nicht schlecht.

Den brennenden Bullhead abzulichten ist mir nicht gelungen, dazu ist meine Streichelfonkamera wohl zu schlecht. Aber davon gibt es sicher auch massig Bilder im Netz zu finden.

Ich verließ das Wackinger Village nach einem letzten Rundgang und begab mich zur Leinwand.

Emperor sah ich und weiß eigentlich nur noch, dass ich sie gesehen habe. Sie hinterließen also keinen großen Eindruck. Aber dann. Amon Amarth. Ich bin ja kein Metalhead im eigentlichen Sinne sondern eher der rockige, aber ansonten milde Mittelalterfreak. Aber diese Band hat mich hin weg gefegt. Nein, ich kann keinen einzigen Titel benennen, aber ich war gebannt. Und entsetzt als die Zeit der Band auf der Bühne vorbei war. HEY! Die haben gerade erst angefangen! Ein Blick zu meinen Sitznachbarn verriet mir, dass ich nicht alleine mit dem "ich will mehr!" Gefühl war. Doch dann kam Megadeath. Ich weiß nichts über die Band, kann nicht beurteilen, ob andere Auftritte besser waren als dieser, aber diesen fand ich gut.
Avantasia kam danach. Metal-Oper, so sagte einer hinter mir und ja, so kam es mir auch vor. Es waren einige andere Sänger mit auf der Bühne, deren Gesichter ich alle kannte, aber mal wieder sind mir sämtliche Namen entfallen. Bis auf einen: Michael Kiske. Was für eine hammergeile Stimme. Gänsehautalarm. Allerdings erzählte der Frontmann ziemlich viel Blödsinn. Es standen NICHT 75.000 oder gar 100.000 Menschen vor der Bühne. Zum einen saßen viele Menschen mit mir vor der Leinwand und zum anderen waren eine ganze Menge von Menschen auf dem Geländer und den Campgrounds am Feiern. Aber das Infield war schon recht voll. Das bestreite ich auch gar nicht. Und die Show war geil. Aber dem ehemaligen Mr. Big-Sänger hätte man nach jedem Lied besser das Mikro ausgestellt. Der hat auch nur Dummfug geschnackt. Der wurde mir immer unsympathischer. Was schon ein kleines Drama ist, denn ich liebe Mr. Big. Einige meiner schönsten Erinnerungen an die Zeit bei meinem Vater haben mit Liedern von der Band zu tun.
Nach Mitternacht war dann Kreator dran und ich war saumüde. Ich suchte  mir ein Plätzchen am Rande und ... schlief beim wahrscheinlich größten Krach des Festivals erst mal eine viertel Stunde. Aber was ich gesehen und gehört habe, war mitreißend. Ich habe mich beim minimalen Headbangen in hoher Geschwindigkeit erwischt. Ich hab es unbewusst getan. Muss ein amüsanter Anblick gewesen sein.
Noch während Kreator spielten habe ich mich auf den Weg ins Infield gemacht und kam gerade so an, dass ich Van Canto auch noch ein paar Lieder live sah und hörte.
Der Abschied der Veranstalter habe ich dann auch mitbekommen und war wieder mal amüsiert darüber, dass Menschen auf der Hauptbühne wie Ameisen wirken.

ENDLICH war es so weit. Mein absoluter Höhepunkt. SCHANDMAUL!
Ich habe sie gesehen. Ich habe sie gehört. Ich war zwar nicht mitten in der Menge aber doch seitlich so nahe dran, dass ich sie erkennen konnte auf der Bühne. Sie spielten.
Das Teufelsweib. Ich hätte heulen können. Das verstehen sicher nur wenige, aber für mich ist dieses Lied eine große Liebeserklärung an einen meiner Chars in meinem Spiel. Meine Isaja war ein Teufelsweib. Und dieses Lied wurde ihr zu Ehren häufiger gespielt. Und wenn ich an Isaja denke, dann ist der Sprung zu Jan nicht mehr weit. Na und da heule ich dann. Die Liebe... die niemals erfüllt sein wird. Aber seit Jahren nicht tot zu kriegen ist, egal wie sehr ich mich bemühe. Sogar sterben lassen habe ich meine Isaja um von Jan los zu kommen. Eine lange, traurige und für einige sicher auch alberne Geschichte. Wenn sich RL und RK so weit vermischen, wie in diesem Fall, wird es schwierig. Aber das ist ja jetzt nicht Thema.
Also zurück zu Schandmaul. Das Teufelsweib ist verklungen und es kommen andere Lieder. Ich feiere mit. Bin voll dabei. Der Teufel hat den Schnaps gemacht. Ich gröhle mit. Und tanze. Scheißegal wie es aussieht und was die Leute denken. Ich bin quasi weg. In meiner eigenen Welt. Walpurgisnacht. Noch so ein Lied wo ich mit muss. Dann... Dein Anblick. Tränen im Gesicht und doch singe ich mit.  Schließlich kommt Bunt statt braun. Ich singe mit, ich wippe und johle. Ich will eine bunte Welt in der jeder Platz hat. In der die Scheiße von Fremdenhass keinen Platz hat, wo jeder Glaube gleich berechtigt ist und sich niemand seiner Andersartigkeit wegen fürchten muss. Utopie? Leider, aber muss ich deshalb aufhören mir eine solche Welt zu wünschen? Nein! Wenn man seine Wünsche und Träume der Realität anpasst, dann ist man doch innerlich schon so gut wie tot. Und ich habe mich lange nicht mehr so lebendig gefühlt wie in den Tagen von Wacken.

Wacken ist vorbei. Ich gehe vom Feld und trete auf einen Stein. Nicht das erste Mal, aber das erste Mal gefolgt von Schmerzen. Es wird sich heraus stellen, dass ich mir den Knöchel verstaucht habe. Aber aller Schmerz ist dieses Wochenende wert gewesen.

Mein Fazit

Ich hatte Zeit mir Gedanken zu machen, mehr als mir zum Teil lieb war. Ich habe gelernt, dass ich nicht anders sein kann, als ich bin. Aber ich habe auch gelernt, dass ich mit mir klar komme, selbst zwischen so vielen Menschen. Ich weiß jetzt, dass ich mehr davon will. Mehr raus in die Welt, weniger zu Hause sitzen. Denn auch das ist eine Beobachtung: ich brauche nicht viel. Ich habe gar nicht arg viel gegessen. Und hatte keinerlei Gelüste. Es gab ja auch keine Langeweile. 

Wacken ist geil. Und ich will wieder hin. Offiziell ist es schon ausverkauft. Aber ich habe ja erlebt, dass ich in der Woche direkt vor Wacken noch hätte Karten bekommen können, also mache ich mir da mal einfach keine Sorgen.

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