Wo bist du gelandet?

Bisher ging es hier darum, aus meinem durchaus chaotischem Leben mit zwei Teenagertöchtern, zwei Katzen und einem Kaninchen zu berichten. Es ging auch darum, dass ich gerade ins Berufsleben eingestiegen war und immer wieder versuchte, mein Essverhalten in halbwegs normale Bahnen zu lenken und quasi als Nebenwirkung mein Gewicht zu reduzieren ohne auf obskure Diätversprechungen herein zu fallen.

Doch seit dem 12.02.2015 ist da die Diagnose, die mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt, Wichtigkeiten verschoben und alle Pläne über den Haufen geworfen hat. Ich habe Krebs. Genauer: Brustkrebs mit Metastasen in der Leber und in der Wirbelsäule. Gerade letzteres verursacht mir heftigste Schmerzen und beeinträchtigt meine Lebensqualität massiv. Wahrscheinlich werde ich also in Zukunft einiges genau darüber schreiben.

Dienstag, 4. Februar 2014

Ich sollte drüber stehen....

tue es aber nicht. Und das ärgert mich!

Ich sitze heute in der Klasse und es entbrannten an mehreren Stellen in der Klasse verschiedene Debatten über die Würde des Menschen, die Freiheit des Einzelnen und der Umgang mit diesen beiden Grundrechten in der Gesellschaft. Entbrannt waren sie anhand eines Fallbeispiels: 
Alte Dame, etwas über 90 Jahre alt, öffnet niemanden mehr die Wohnungstür und gibt durch die Tür die Auskunft, dass sie ihren Frieden haben wolle und in Ruhe zu sterben gedenke. 
Es herrschte Uneinigkeit darüber, ob man die Wohnung betreten müsse oder den Willen der Dame hinzunehmen habe.

Im Laufe einer, in meiner Nähe, geführten Debatte ging es dann um Wohnungsöffnungen und Abtransporten von verletzten Personen. Und dann kam der Spruch: Ich hasse dicke Menschen!
Dieser Ausspruch wurde so laut getätigt, dass nicht nur ich, sondern auch einige meiner anderen Mitschüler, die noch weiter vom Sprecher entfernt saßen, es hörten.

Ich bin ja nicht nur einfach dick. Ich habe Adipositas Grad III. Ich gehöre zu der Bevölkerungsgruppe, die Schuld daran ist, dass Krankenhäuser andere Liegen und OP-Tische besorgen müssen, die einfach mehr Gewicht tragen und Blutdruckmanschetten die auch um sehr dicke Oberarme passen..... Diese Liste lässt sich sicher noch beliebig fortführen.
Ich weiß auch, dass gerade für Retter diese Massen an einem Menschen wirklich schwierig zu handhaben sind (meine persönliche Horrorvorstellung: Ich bin bewegungsunfähig und muss mit einem Kran aus meiner Wohnung geholt werden, dass Video von dieser Rettung findet sich dann danach im Netz...) und ich für meinen Teil versuche so gut es geht, dafür zu sorgen beweglich zu bleiben. Abnehmen ist mir aber nur in einem sehr geringen Rahmen möglich und aus verschiedenen Selbsthilfeforen weiß ich, dass es Menschen mit meiner Diagnose fast unmöglich ist abzunehmen und dabei gesund zu bleiben. 
Ok, ich habe gerade etwas den Faden verloren.

Also es stand nun diese Aussage im Raum und ich war wie erstarrt.
Wie kann man eine Gruppe Menschen nur auf Grund eines Merkmales hassen? Ich verstehe das nicht. Und ich habe mich in dem Moment als Opfer dieses Hasses empfunden. 
Jetzt frage ich mich vor allem, woher so ein Hass kommen kann. 

Ich habe Verständnis, wenn jemand sagt: Ich finde dicke Menschen nicht schön, ich sehe sie mir nicht gerne an. Ich mag auch einige Menschen nicht gerne ansehen (ich sag nur große Tunnel in den Ohren...). Schwieriger wird es schon, wenn jemand sagt, er verachte Dicke, weil sie sich haben gehen lassen, disziplinlos sind und alle anderen gängigen (Vor-)Urteile gegen Dicke aufzählt.
Aber Hass? Für mich ist Hass ein so großes Gefühl, dass ich es kaum fassen kann. Hass habe ich empfunden, als ich geschlagen worden bin. Hass fühlte ich, als ich ganz mies hintergangen wurde. Und ich hasste, als ich den Schmerz meiner Kinder sah. Aber selbst dann, war das Gefühl nicht von langer Dauer und hatte immer einen sehr persönlichen Bezug. 

Wie also entsteht Hass gegen eine Gruppe von Menschen? 

Ich habe mir auch Gedanken gemacht, ob der junge Mann vielleicht einfach die Worte verwechselt hat. Schließlich werden immer wieder Worte falsch benutzt. Aber als er sprach, da klang auch eine hohe Emotionalität aus ihm und er scheint tatsächlich eine sehr, sehr große Abneigung zu haben, vielleicht hasst er tatsächlich.
Und wenn das so ist, dann hasst er wohl auch mich. Denn mein Dicksein ist ein Teil von mir, untrennbar mit mir verbunden. 
Und wie gehe ich nun damit um? 
Wie soll ich ihm gegenüber treten, falls wir mal in einer Gruppenarbeit zusammen arbeiten müssen? 

Ihr seht, es beschäftigt mich sehr. 


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